Vollkommen

Liebe Leser*innen,
In meiner letzten Kolumne schrieb ich über Symbole, hier möchte ich heute anknüpfen. Raben und Phönixe, deren Bedeutung und Herkunft habe ich etwas erläutert.
Heute möchte ich wie beim Phönix bei Persephone anknüpfen. Tochter der Demeter, die als Göttin der Ernte gilt. Persephone selbst ist ebenso eine Fruchtbarkeitsgöttin, den Geschichten nach ist aber auch Grund für die Jahreszeiten. «Geraubt» von Hades, dem Gott der Unterwelt, und gezwungen zu bleiben. So gehört zu den Symbolen von Persephone auch der Granatapfel. Einige Kerne ass sie, deswegen muss sie monateweise in der Unterwelt bleiben. Demeter passte dies nicht, deswegen verwehrt sie in den Monaten die Ernte, in denen Persephone in der Unterwelt ist, quasi als Kompromiss. Damit erklärten sich die antiken Griechen die Jahreszeiten. Modernere Interpretation der Geschichten romantisieren die Beziehung von Hades und Persephone, doch das wäre eine andere Kolumne.
Zurück zum Granatapfel, grundsätzlich ist es bei den antiken Griechen ein Symbol für Fruchtbarkeit, obwohl es auch die Frucht der Unterwelt war. Dies öffnet wieder den Zugang zu den Symbolpaaren um Leben und Tod. Ein Kreislauf.
Doch den Granatapfel findet man auch in anderen Kulturen als Symbol, bekannt überall im Mittelmeerraum, denn er stammt vor allem aus Nordafrika und dem Iran. Der Granatapfel wird in der Bibel an verschiedenen Stellen erwähnt. Er ist z.B. Teil des Priestergewandes, wie es im Buch Exodus beschrieben wird (Ex, 33) und Schmückt den Salomonischen Tempel laut dem Königebuch(1. Kön 7). Auch findet sich der Granatapfel mehrfach im Hohelied, um die Schönheit einer Frau zu untermalen und umschreiben. Hier dient es einem primär erotischen Zweck, nebst der Bedeutung als Fruchtbarkeitssymbol, was im Hohelied häufiger der Fall ist. Interessant ist auch, dass laut jüdischen Gelehrten der Granatapfel die «verbotene Frucht» im Garten Eden ist, zumindest stand dies in einem Unitext.
Der Granatapfel findet sich in der Geschichte von christlichen Glaubensgemeinschaften immer wieder. Meist dient er als Darstellung von Fülle und Vollkommenheit der Schöpfung. Es gibt ein Botticelli-Gemälde, das die «Madonna mit dem Granatapfel» heisst, in dem das Jesuskind und Maria einen Granatapfel halten.
Ich finde es unglaublich spannend, und könnte noch seitenweise über dieses Symbol und allerhand Fundorte davon schreiben, doch mache ich hier einen Punkt. Es ist aber bestimmt nicht das letzte Mal, dass Sie von mir etwas über den Granatapfel lesen.
Und damit, liebe Leser*innen, wünsche ich ihnen ein schönes Wochenende.
Dario Dello Buono
Ursprünglich erschienen in:
Anzeige-Blatt, 22.02.2025
